Wittstock – Ein neuer Rahmenlehrplan für die Klassen 1 bis 10 soll mit Beginn des Schuljahres 2016/2017 in Berlin und Brandenburg in Kraft treten. Dies sehen
Entwürfe der Brandenburger Landesregierung vor. Nur noch bis zum 27. März läuft dazu eine öffentliche Anhörung. Großer Diskussionsbedarf herrscht auch in
Wittstock: Gut 60 Elternsprecher aller vier Schulen in der Dossestadt trafen sich am Mittwochabend im Rathaus zu einer gemeinsamen Elternkonferenz. Die beiden Landtagsabgeordneten Ina Muhß (SPD) und Jan Redmann von der CDU sowie Bürgermeister Jörg Gehrmann (parteilos) weilten unter den Gästen. Am Ende der mehr als zweistündigen Diskussionsrunde schnürten Eltern und Lehrer ein erstes Maßnahmepaket. Jan Redmann wird einen noch vorzubereitenden
Fragenkatalog aus Wittstock im Rahmen einer aktuellen Stunde am 18. März im Potsdamer Landtag an die Landesregierung übergeben. Weitere Aktionen in Wittstock sind geplant. Jaqueline Kübler, Schulelternsprecherin an der Waldring-Grundschule in Wittstock, berichtete von einem Besuch in der vergangenen Woche bei Günther Fuchs, Vorsitzender der Brandenburger Gewerkschaft
Erziehung, Wissenschaft (GEW). Der neue Rahmenlehrplan löste laut Fuchs bereits landesweit Entsetzen aus: „Es brodelt im ganzen Land“, gab Kübler wieder.
Thomas Winter, stellvertretender Schulleiter an der Waldring-Grundschule, stellte zum Auftakt der Gesprächsrunde die Eckdaten des neuen Rahmenlehrplans vor. „Theoretisch können dann alle Schüler gemeinsam lernen und es werden keine
unterschiedlichen Schulformen mehr benötigt“, sagte er. Besonders auffällig ist die neue Leistungsbewertung. „Nirgendwo tauchen mehr Noten auf und es liegt
nahe, dass die Zensuren abgeschafft werden.“ Zum Beweis präsentierte er einen Zeugnisentwurf des Landes. Nach einem Rastersystem werden dort im Fach Deutsch 23 Kriterien anstelle einer Zensur aufgelistet. Besonders brisant: Zum neuen Rahmenlehrplan muss jede Schule im Land einen eigenen und schulinternen Lehrplan entwickeln. Wie weit die Pläne in Potsdam für diese tief greifenden Umwälzungen gereift sind, ist auch am Beispiel der Lehrmaterialien
ersichtlich. Thomas Winter zeigte ein druckfrisches Buch für das neue Fach Gesellschaftswissenschaften. „Wenn die Bücher schon fertig sind, was soll dann
noch die öffentliche Anhörung?“, stellte er in den Raum. Sowohl Kerstin Knacke, Leiterin der Diesterweg-Grundschule, als auch Gymnasium-Schulleiter Helmut
Kühn lehnten den neuen Rahmenlehrplan ab. „Wir kommen nicht zur Ruhe – Integration, Flexklassen, Inklusion – es sind weder Kontinuität noch Erfolge für uns Lehrer möglich“, so Knacke. „Jede Schule bastelt ihren eigenen Lehrplan und die Eltern werden gegen die Bewertungssysteme klagen“, sagte Kühn. Beiden
fehlt die Transparenz und Praxistauglichkeit. Ina Muhß verteidigte den Entwurf: „Es gab 2012 den Wunsch von den Schulen, dass die Lehrpläne entschlackt werden und Fachleute aus dem Landesinstitut für Schule und Medien haben den Rahmenlehrplan entworfen.“ Gleichzeitig betonte sie: „Ich sitze nicht mehr im Bildungsausschuss und kann dazu fachlich nicht viel sagen.“ Auf Fragen aus
dem Publikum, wie sie darauf politisch Einfluss nehmen kann, schlug sie vor, Fachleute einzuladen. Jan Redmann unterstellte dieser Bildungsreform „grundlegende Fehler, da dieses Modell nicht praktikabel ist“. Die geplante
Fächerzusammenlegung ist für ihn die Antwort auf den Lehrermangel. „Der neue Rahmenlehrplan stellt den hochwertigen Unterricht infrage und gefährde den Schulfrieden.“